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(Moskau) – Das feindliche Klima für Menschenrechtsarbeit in Russland verschärft sich, so Human Rights Watch. Während Gesetzesänderungen die Arbeit der Zivilgesellschaft weiter einschränken und die russische Regierung Menschenrechtsgruppen weiter an den Rand drängen will, hat eine Mitarbeiterin von Human Rights Watch eine Reihe von Textnachrichten erhalten, durch sie direkt oder indirekt bedroht wurde.

Zu Beginn dieser Woche erstatte Human Rights Watch Anzeige wegen der Drohungen, die Tanja Lokschina, Russland-Expertin von Human Rights Watch, auf ihrem Mobiltelefon erhalten hatte. Zudem wurden die russischen Behörden aufgefordert, sofort eine umfassende Untersuchung der Vorfälle einzuleiten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.  

„Diese schändlichen Drohungen zielen darauf ab, zweimal zu überlegen, ob man sich für die Menschenrechte einsetzt“, so Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch. „Es ist jetzt wichtig, dass die Behörden eine ernsthafte Untersuchung durchführen und ein Klima schaffen, in dem Menschenrechtsarbeit ohne Einschränkungen möglich ist“.

Die Textnachrichten wurden zwischen dem 28. und 30. September 2012 zwei- bis sechsmal täglich an Lokschina gesendet. Sie bezogen sich unter anderem auf ihre Schwangerschaft und zahlreiche andere persönliche Details. Zudem versuchten die Absender der Nachrichten in abscheulicher Weise, Lokschina fälschlicherweise mit islamistischen Aufständischen in Verbindung zu bringen. „Wir erwarten die Geburt Deines Kindes, damit es unseren Kampf für Freiheit unterstützen kann, so helfe uns Allah”, so der Wortlaut einer der Nachrichten.

Lokschina ist seit etwa zehn Jahren eine bekannte Persönlichkeit der russischen Menschenrechtsbewegung. Sie war Direktorin der Moskauer Helsinki Gruppe und des Forschungsinstituts für Menschenrechtsfragen Demos, bevor sie 2008 Mitarbeiterin von Human Rights Watch wurde. Sie arbeitet zu zahlreichen Themen, ist jedoch besonders als landesweit führende Expertin zur Menschenrechtslage im Nordkaukasus bekannt. Die meisten der elf Textnachrichten bezogen sich auf Lokschinas Schwangerschaft und deuteten an, dass sie und ihr ungeborenes Kind in naher Zukunft zu Schaden kommen würden. Die Verfasser behaupteten, sie befänden sich in ihrer unmittelbaren Nähe und sagten eine „schwere Geburt“ voraus.

Die Nachrichten beinhalteten sowohl direkte als auch implizite Drohungen. Sie verwiesen auf persönliche Details über die Aufenthaltsorte von Lokschina und ihrer Verwandten, über ihre Schwangerschaft und ihren nicht öffentlich bekannten Wohnort.

Da die Drohungen vertrauliche Informationen enthielten, die nur Lokschina und einem kleinen Kreis von Freunden bekannt sind, legt dies nahe, dass sie durch Überwachungsmaßnahmen gewonnen wurden. Möglicherweise waren daran Sicherheitskräfte beteiligt.

„Diese Drohungen müssen ernst genommen werden und wurden offensichtlich ausgesprochen, um die Arbeit von Human Rights Watch zu behindern“, so Roth. „Wir haben bei den Behörden Anzeige erstattet, weil wir letztlich davon überzeugt sind, dass die Verantwortlichen Lokschina mit Gewalt drohen.“

In den letzten Jahren wurden mehrere bekannte russische Journalisten und Aktivisten, die Straflosigkeit für Menschenrechtsverbrechen im Nordkaukasus aufgedeckt hatten, eingeschüchtert oder angegriffen; einige wurden deshalb ermordet. Alle Opfer von Gewalttaten und tödlichen Angriffen hatten davor Drohmitteilungen per SMS erhalten, oftmals kurz vor der Gewalttat.

Die Drohungen wurden in einer Zeit ausgesprochen, als die Regierung seit der Rückkehr Waldimir Putins in den Kreml umfassend gegen die russische Zivilgesellschaft vorgeht. Im Sommer wurden Gesetze durch die Duma gepeitscht, durch die öffentliche Versammlungen erneut eingeschränkt werden können, Verleumdung wieder als Straftat eingeführt wurde sowie neue Beschränkungen im Internet auferlegt wurden. Ein Gesetz, das im Juli verabschiedet wurde, zwingt Nichtregierungsorganisationen, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen, wenn sie „politische Arbeit“ machen und Gelder aus dem Ausland annehmen. Am 21. September billigte die Duma in erster Lesung ein Gesetz, das – falls es verabschiedet würde - die Definition von Landesverrat so weit fassen würde, dass internationale Menschenrechtsarbeit kriminalisiert werden könnte.

Vor diesem Hintergrund gibt es immer mehr Stellungnahmen der Regierung, in denen Nichtregierungsorganisationen und Ausländer kritisiert werden.

„Das Klima für die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen in Russland ist so schlecht, wie in den letzten 20 Jahren nicht mehr“, so Roth. „Russlands internationale Partner sollen klarstellen, dass der sicherste Weg zu einem Pariastaat darin besteht, dieselbe düstere Menschenrechtslage wieder herzustellen, wie sie während der Sowjetunion geherrscht hat. Zudem sollen sie Russland auffordern, das Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidiger zu beenden und stattdessen ein Klima zu schaffen, in dem Menschenrechtsorganisationen sicher sind und ihre Arbeit Unterstützung findet.“

 

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