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(New York, 15. April 2011) – Der Irak soll wie angekündigt eine gründliche, unabhängige und transparente Untersuchung der blutigen Zusammenstöße zwischen der irakischen Armee und Angehörigen der iranischen Volksmudschaheddin im Camp Ashraf gewährleisten, so Human Rights Watch heute. Die Vereinten Nationen erklärten gestern, die Zusammenstöße am 8. April hätten unter den Bewohnern des Lagers 34 Todesopfer und Dutzende Verletzte gefordert. Human Rights Watch äußerte die Befürchtung, die irakische Armee könnte mit übertriebener Härte gegen die unbewaffneten iranischen Oppositionellen vorgegangen sein.

Irakische Militärs hatten anfangs von nur drei getöteten Bewohnern des Lagers gesprochen. Das irakische Verteidigungsministerium kündigte am 12. April eine Untersuchung des Vorfalls an. Die Behörden halten zudem weiterhin Ermittlungsergebnisse über eine Razzia der irakischen Sicherheitskräfte im Camp Ashraf im Juli 2009 zurück, bei der mindestens sieben Mitglieder der Volksmudschaheddin getötet wurden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand wurde bislang kein Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen.

„Die Bewohner von Camp Ashraf brauchen keine weiteren Lippenbekenntnisse über immer neue Untersuchungen“, so Joe Stork, stellvertretender Direktor der Abteilung Naher Osten von Human Rights Watch. „Die irakischen Behörden müssen die Ergebnisse der im Jahr 2009 durchgeführten Ermittlungen veröffentlichen und die jüngsten Vorfälle durch glaubwürdige und unabhängige Experten untersuchen lassen.“

Der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, erklärte am 14. April, ein UN-Team sei in Camp Ashraf auf 28 Leichen gestoßen, die meisten mit Schussverletzungen. Unter den Toten seien auch mehrere Frauen gewesen. Sechs Leichen würden vermisst, so Colville.

Die genauen Umstände des Vorfalls bleiben im Dunkeln. Bewohner von Camp Ashraf und Sicherheitskräfte geben sich gegenseitig die Schuld für die Todesopfer und machen widersprüchliche Aussagen zu den Ereignissen. Die Exil-Iraner behaupten, die irakischen Sicherheitskräfte hätten ihr Lager gestürmt, 34 Zivilisten getötet und über 300 verletzt. Die Sicherheitskräfte hätten ohne erkennbaren Grund angegriffen, das Feuer eröffnet und Menschen mit schweren Geländewagen überrollt.

Am 14. April erklärte Ali al-Dabbagh, Pressesprecher des irakischen Premierministers, gegenüber der Presseagentur AFP: „Unsere Sicherheitskräfte glauben, dass die Getöteten von ihren eigenen Wachleuten erschossen wurden, weil sie fliehen wollten […] Sie haben in der Vergangenheit bereits ähnliche Akte verübt.“ Der ursprünglichen Darstellung des irakischen Militärs zufolge wurden drei Oppositionelle getötet, als die Sicherheitskräfte auf Drohungen und Steinwürfe von Seiten der Lagerbewohner reagierten. Ziel der Operation sei es gewesen, Teile des Lagergebiets zurückzugewinnen und an Bauern zurückzugeben.

Die Todesfälle sind die jüngsten Vorfälle in einer langen Reihe blutiger Zusammenstöße im Camp Ashraf, in dem seit mehr als zwei Jahrzehnten Mitglieder der oppositionellen iranischen Volksmudschaheddin leben. Die irakische Regierung unter Saddam Hussein hatte den Volksmudschaheddin im Jahr 1986 erlaubt, sich im Irak anzusiedeln. Derzeit wird das Camp Ashraf, das sich im Gouvernement Diyala nördlich von Bagdad befindet, von mehr als 3.000 Menschen bewohnt. Im Anschluss an die US-Invasion im Jahr 2003 wurden die Lagerbewohner entwaffnet. Viele Iraker werfen den Mitgliedern der Gruppe vor, sich an Aktionen gegen Gegner von Saddam Hussein beteiligt zu haben. Die Regierung von Premierminister Nuri al-Maliki plant, das Lager zu schließen.

Der UN-Verhaltenskodex für Beamte mit Polizeibefugnissen erklärt: „Beamte mit Polizeibefugnissen dürfen Gewalt nur dann anwenden, wenn dies unbedingt notwendig ist, und nur in dem Maß, wie es die Ausübung ihrer Pflichten erfordert.“ Die UN-Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen verpflichten Vollzugsbeamte, „möglich nichtgewaltsame Mittel einzusetzen, bevor sie Gewalt anwenden oder von Schusswaffen Gebrauch machen“ und Gewalt nur dann anzuwenden, „wenn andere Mittel […] offensichtlich keinen Erfolg versprechen.“ Wenn die Gewaltanwendung unvermeidbar wird, haben Beamte mit Polizeibefugnissen „Zurückhaltung bei dem Einsatz zu üben und die Verhältnismäßigkeit gegenüber der Schwere der Straftat und dem legitimen Handlungsziel zu wahren“.

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