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(Ranchi, 9. Dezember 2009) – Der Konflikt zwischen maoistischen Aufständischen und Regierungstruppen verhindert, dass Tausende am Rande der Gesellschaft lebende Kinder in Indien eine angemessene Schulbildung erhalten, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der 103-seitige Bericht „Sabotaged Schooling: Naxalite Attacks and Police Occupation of Schools in India's Bihar and Jharkhand States“ beschreibt, wie die Naxaliten, eine seit langem existierende panindische, maoistische Miliz, gezielt Sprengstoffanschläge auf staatliche Schulen verüben. Gleichzeitig besetzen Polizei und paramilitärische Kräfte im Rahmen ihrer Operationen gegen die Naxaliten Schulen und stören so dauerhaft den Schulbetrieb. Der Bericht basiert auf 22 Besuchen von Schulen in Bihar und Jharkhand sowie auf Interviews mit über 130 Personen, darunter 48 Kindern sowie Eltern, Lehrern, Polizisten und Beamten der Lokalbehörden.

„Die Maoisten behaupten, sie kämpfen für die Schwachen in Indien, doch ihre Anschläge auf Schulen bringen diese Kinder um ihre dringend benötigte Ausbildung“, so Bede Sheppard, Researcher in der Abteilung Kinderrechte von Human Rights Watch und Autor des Berichts. „Zudem werden die Kinder gefährdet, verängstigt und aus ihren Klassenzimmern vertrieben, wenn die Polizei ihre Schulen für lange Zeiträume als Stützpunkte nutzt.“

Die Maoisten nehmen Schulen ins Visier, weil diese in den entlegenen ländlichen Gebieten, in denen sie operieren, oft die einzigen staatlichen Gebäude sind. Ungeschützte Schulen sind in hohem Maße sichtbare „weiche“ Ziele. Anschläge auf Schulen ziehen großes Medieninteresse auf sich; sie verbreiten in der örtlichen Bevölkerung Angst und Schrecken. Da die Regierung nicht für einen raschen Wiederaufbau der zerstörten Schulen sorgt, haben die Angriffe noch lange negative Auswirkungen auf die Bildung der Kinder.

In den letzten vier Wochen wurden auf mindestens 14 Schulen in Jharkhand und zwei Schulen in Bihar Anschläge verübt.

Staatliche Sicherheitskräfte – Polizei wie auch paramilitärische Polizeieinheiten – besetzen Schulen und nutzen sie als Stützpunkte für Operationen gegen die Naxaliten, bisweilen nur wenige Tage lang, meist jedoch für mehrere Monate oder sogar Jahre. Teilweise besetzen die Sicherheitskräfte Schulgebäude vollständig, teilweise nutzen sie nur Teile, während die Schüler versuchen, in den verbleibenden Räumen weiter zu lernen.

Die Anschläge der Naxaliten und die Schulbesetzungen der Sicherheitskräfte setzen die Schüler vermeidbaren Risiken aus und führen dazu, dass viele Schüler den Schulbesuch unterbrechen oder abbrechen. Besonders häufig scheinen Mädchen die Schule abzubrechen, wenn diese ganz oder teilweise besetzt wird und sie sich von den Sicherheitskräften belästigt fühlen oder tatsächlich belästigt werden. Einige der befragten Schüler sagten, es verängstige sie, wenn Polizisten auf dem Schulgelände Verdächtige schlagen. Häufig werden Schulen vollständig geschlossen, so dass der Unterricht entweder vollständig ausfällt oder in ungeeigneten Räumlichkeiten oder im Freien stattfinden muss. Wenn auch dies nicht möglich ist, sind die Schüler gezwungen, eine weiter entfernte Schule zu besuchen, sofern sie dazu in der Lage sind.

„Die Führung der Naxaliten soll ihre Kämpfer anweisen, jegliche Anschläge auf Schulen ab sofort zu unterlassen“, so Sheppard. „Die indische Regierung soll ihre Praxis überdenken, Schulen für Militäroperationen zu nutzen, da dies der Ausbildung der Kinder schadet und so zusätzliche Missstände schafft, aus denen die Naxaliten Kapital schlagen können.“

Das Recht auf Bildung wird durch die indische Verfassung und Gesetzgebung sowie durch internationale Menschenrechtsverträge, die Indien ratifiziert hat, garantiert.

„Es ist unerlässlich für die Entwicklung Indiens, Kindern im sozialen Abseits den Zugang zu Bildung zu ermöglichen“, so Sheppard. „Im Zuge dieses Konflikts werden die Kinder in den betroffenen Regionen jahrelang dieses Rechts beraubt.“

Aussagen von Kindern und Eltern:

„Die Schule wurde schwer beschädigt... Das gesamte Gebäude ist zerstört, die Fenster sind zersprungen und der Boden, die Wände und die Decke haben Risse. Selbst die Tür ist kaputt. Alles liegt in Schutt und Asche.“

– Ein 16-jähriger Junge, auf dessen Schule in Jharkhand die Naxaliten am 9. April 2009 einen Sprengstoffanschlag verübten.

„Manchmal bringen sie [die Sicherheitskräfte] Verdächtige zurück in die Schule und schlagen sie... Ich fühle mich sehr schlecht, wenn sie sie schlagen.“

– Ein 16-jähriger Schüler, dessen Schule in Bihar von der Staatlichen Hilfspolizei teilweise besetzt wird, 12. Juni 2009.

„Bevor die Polizei sich bei uns einquartierte, hatten wir keine Angst und wir konnten in der Schule auf alle möglichen Arten Spaß haben.“

– Ein 16-jähriger Schüler, dessen Schule in Jharkhand von der Zentralen Reservepolizei besetzt wird, 30. Mai 2009.

„Sie [die Naxaliten] haben die Schule in die Luft gesprengt... Seitdem sind die Gebäude beschädigt und es findet kein Unterricht statt. Deshalb gehen meine Kinder nicht zur Schule. Ich kann meine Kinder nicht außerhalb des Dorfes zur Schule schicken. Wir sind arme Leute. Wir leben im Wald. Wir bewirtschaften das Land, um unser Auskommen zu sichern. An der Schule waren 250 Schüler und jetzt verkommen sie alle, weil kein Unterricht mehr stattfindet... Jetzt haben meine Kinder gar nichts mehr zu tun. Sie spielen im Dorf... füttern das Vieh und solche Dinge... Alle, die konnten, haben ihre Kinder in Schulen in anderen Dörfern geschickt. Aber arme Leute wie wir können ihre Kinder nicht außerhalb des Dorfes zur Schule schicken.“

– Ein Vater von fünf Kindern; drei von ihnen gingen auf eine Schule in Jharkhand, auf die die Naxaliten am 29. November 2008 einen Bombenanschlag verübten.

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