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China: Geheime „schwarze Gefängnisse“ verbergen schwere Menschenrechtsverstöße

Illegale Hafteinrichtungen fördern Gewalt, Drohungen und Erpressung

(New York, 12. November 2009) – Zahlreiche chinesische Bürger sind seit dem Jahr 2003 in geheimen, illegalen Hafteinrichtungen, sogenannten „schwarzen Gefängnissen“, ohne Kontakt zur Außenwelt über Tage oder Wochen festgehalten worden. Die verantwortlichen Personen, die gegen die Rechte der Inhaftierten verstoßen, bleiben ungestraft, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der 53-seitige Bericht „An Alleyway in Hell“ dokumentiert, wie Regierungsvertreter, Sicherheitskräfte und von ihnen beauftragte Personen in Peking sowie in anderen Städten Chinas regelmäßig Menschen auf der Straße entführen, ihnen ihre persönlichen Gegenstände abnehmen und sie in illegalen Hafteinrichtungen gefangen halten. Oft sind diese „schwarzen Gefängnisse“ in staatlichen Hotels, Pflegeheimen und psychiatrischen Anstalten untergebracht.

„Die Existenz schwarzer Gefängnisse mitten in Peking spricht den Behauptungen der chinesischen Regierung in Bezug auf eine Verbesserung der Menschenrechtssituation und der Achtung der Rechtsstaatlichkeit Hohn“, so Sophie Richardson, Advocacy-Direktorin der Asien-Abteilung von Human Rights Watch. „Die Regierung soll diese Einrichtungen umgehend schließen, gegen die Verantwortlichen ermitteln und den Menschen, die dort misshandelt wurden, ihre Unterstützung anbieten.“

Laut Untersuchungen von Human Rights Watch handelt es sich bei den Inhaftierten in der Regel um Petitionssteller. Meist sind es Bürger aus ländlichen Regionen, die eigens nach Peking oder in andere Provinzhauptstädte reisen, um sich dort über Verstöße wie illegale Landenteignung, Korruption der Behörden oder Folter durch Polizeibeamte zu beschweren und für ihr Recht zu kämpfen. Mit Duldung der Behörden für öffentliche Sicherheit werden diese „schwarzen Gefängnisse“ von Vertretern der lokalen Regierung eingerichtet, um dort Beschwerdeführer festhalten, abstrafen und dann wieder in ihre Heimat zurückschicken zu können. So sorgen sie dafür, dass nicht zu viele Bittsteller aus ihrer Region Petitionen einreichen, und verhindern dadurch unliebsame Konsequenzen, die der örtlichen Verwaltung andernfalls drohen würden.

Die chinesische Regierung hat die Existenz von „schwarzen Gefängnissen“ grundsätzlich geleugnet. Auf einer Pressekonferenz im April 2009 antwortete ein Vertreter des chinesischen Außenministeriums auf die Frage eines Al Jazeera-Korrespondenten zu diesem Thema entschieden mit: „So etwas gibt es in China nicht.“ Im Juni 2009 versicherte die chinesische Regierung in ihrem Ergebnisbericht, den sie im Rahmen des UPR-Verfahrens für den UN-Menschenrechtsrat zur Menschenrechtslage in China verfasst hat: „Es gibt keine ‚schwarzen Gefängnisse’ in unserem Land.“

In den „schwarzen Gefängnissen“ kommt es regelmäßig zu Missbrauch wie körperlicher Gewalt, Diebstahl, Erpressung, Drohungen, Einschüchterungen, Schlaf- und Nahrungsentzug sowie Verweigerung von ärztlicher Behandlung.

Eine 46-jährige Frau aus der Provinz Jiangsu, die über einen Monat in einem „schwarzen Gefängnis“ festgehalten wurde, weinte vor Angst, als sie sich daran zurück erinnerte: „[Sie] sind erbarmungslos, ... zwei Personen zerrten mich an den Haaren ins Auto. Meine Hände waren gefesselt, ich konnte mich nicht bewegen. Dann [als wir wieder in Jiangsu waren] brachten sie mich in einen Raum, wo mich zwei Frauen auszogen ... sie schlugen mir auf den Kopf [und] traten mich mit den Füßen”.

Die meisten ehemaligen Insassen dieser „schwarzen Gefängnisse“ berichteten Human Rights Watch, dass die Personen, die sie entführt hatten, ihnen weder eine rechtliche Begründung für die Inhaftierung vorgelegt noch Informationen über den Ort und die Dauer ihrer Inhaftierung genannt haben. Ein 52-jähriger Bittsteller aus der Provinz Liaoning berichtete Human Rights Watch: „Ich bin von Häschern aus [meiner Heimatprovinz] Liaoning eingesperrt worden. Sie waren in zivil und haben sich nicht ausgewiesen. Ich glaube auch nicht, dass sie [offizielle] Papiere hatten. Sie haben mir keinen Grund für die Verhaftung genannt und auch nicht, wie lange sie mich festhalten würden. Sie haben überhaupt nicht mit mir gesprochen.”

Die Gefangenen sind in den „schwarzen Gefängnissen“ auch psychischer Gewalt ausgesetzt, einschließlich Drohungen von sexuellem Missbrauch. Einer 42-jährigen Frau aus der Provinz Sichuan drohten die Aufseher, sie würden „mich ins Männergefängnis bringen und [mich] von einem [Insassen] nach dem anderen vergewaltigen lassen“, sollte sie versuchen zu fliehen. Human Rights Watch dokumentierte auch Fälle, in denen die Aufseher Methoden wie Schlaf- und Nahrungsentzug angewandt oder eine ärztliche Versorgung verweigert haben, um die Gefangenen zu bestrafen oder Informationen von ihnen zu bekommen. Eine 70 Jahre alte Frau aus der Provinz Hubei war in einen dreitägigen Hungerstreik getreten und konnte so schließlich erzwingen, Zugang zu einem Arzt zu erhalten.

Auch Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wurden in den „schwarzen Gefängnissen“ festgehalten, womit China eindeutig gegen seine Verpflichtungen im Bereich der Kinderrechte verstoßen hat. Human Rights Watch sprach mit einem 15-jährigen Mädchen, das eine Petition für ihren gelähmten Vater einreichen wollte, als sie in Peking auf der Straße entführt wurde. Ihr Vater war zuvor über zwei Monate lang in einem Pflegeheim in der Provinz Gansu eingesperrt und brutal verprügelt worden.

„Ein solcher Missbrauch von Bürgern, die bereits wiederholt durch das Rechtssystem benachteiligt worden sind, ist blanker Hohn“, so Richardson.

Die „schwarzen Gefängnisse“ entstanden offenbar zur Zeit, als die chinesische Regierung jene Gesetze aufgehoben hat, die eine willkürliche Inhaftierung von nicht in der Stadt registrierten oder nicht sesshaften Personen erlaubten. Diese Entscheidung war ein begrüßenswerter Schritt, um der polizeilichen Willkür bei Inhaftierungen Einhalt zu gebieten. Doch jetzt werden „ungebetene Besucher“ illegal in „schwarzen Gefängnissen“ festgehalten. Regierungsbeamte auf Kreis-, Stadt- und Provinzebene wollen durch diese rechtswidrige Methode die Petitionsaktivitäten von Bürgern aus ihren Regionen in Großstädten wie Peking einschränken, um Geldstrafen und Nachteile für ihre persönliche Karriere zu vermeiden. Nicht veröffentlichte Unterlagen von lokalen Regierungsstellen dokumentieren Strafen gegen lokale Kader, die nicht entschieden genug gegen Bittsteller aus ihren Regionen vorgehen, wenn diese in Peking und anderen Provinzhauptstädten ihr Recht einfordern wollen. Außerdem zahlen die lokalen Regierungen täglich einen Betrag von 150 bis 200 Yuan (22 bis 29 US-Dollar) pro Person in bar an die Betreiber der „schwarzen Gefängnisse“ und schaffen dadurch noch einen zusätzlichen Anreiz für die illegalen Haftpraktiken.

Die Inhaftierung von Bittstellern verstößt gegen das Völkerrecht, das die freie Meinungsäußerung garantiert, und gegen die in China geltenden „Vorschriften für Briefe und Besuche“, einem Gesetz zur Regelung des Petitionswesens. Die Inhaftierung von Personen – auch von mutmaßlichen Straftätern – ohne gesetzliche Grundlage und ohne den Betroffenen Zugang zu Rechtsmitteln zu ermöglichen, stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen verschiedene internationale Bestimmungen, gegen die Verfassung Chinas sowie gegen eine Vielzahl chinesischer Gesetze dar. Laut Völkerrecht macht sich ein Staat des erzwungenen Verschwindenlassens schuldig, wenn er eine Person in Gewahrsam nimmt, dies aber bestreitet bzw. den Aufenthaltsort dieser Person nicht offenlegt.

„Es gibt Gesetze in China, die das Vorgehen bei Festnahmen und Inhaftierungen genau festlegen. Im Fall der ‚schwarzen Gefängnisse’ und der dort inhaftierten Personen setzt sich die Regierung jedoch ganz offensichtlich über diese Gesetze hinweg“, so Richardson. „Die Missachtung der eigenen Rechtsnormen – von den internationalen Rechtsnormen ganz zu schweigen – ist nicht gerade eine Auszeichnung für eine Regierung, die weltweit respektiert werden will.“

Zeugenaussagen ehemaliger Insassen von „schwarzen Gefängnissen“ in China

„[Die Aufseher] kamen herein, sagten kein Wort, packten mich, ... knieten auf meiner Brust und schlugen mir solange die Fäuste in den Unterbauch, bis ich ohnmächtig wurde. Danach hatte ich Schmerzen, aber an meinem Körper waren keinerlei Spuren zu sehen.“
- ehemaliger Insasse eines „schwarzen Gefängnisses“

„Ich fragte, warum sie mich eingesperrt haben, und dann kam eine Gruppe [von Aufsehern] herein und schlug mit Fäusten und Füßen auf mich ein. Sie behaupteten, sie würden mich umbringen. Ich schrie laut um Hilfe und sie hörten damit auf, aber von da an habe ich mich nicht mehr getraut, [noch mehr Schläge zu riskieren].“
- ehemaliger Insasse eines „schwarzen Gefängnisses“

„Es gab keine ärztliche Versorgung [im ‚schwarzen Gefängnis’]. Ich bin gesundheitlich angeschlagen und aufgrund der abscheulichen Verhältnisse [in der Einrichtung] war ich ständig krank. Ich bekam aber weder Medikamente und durfte auch nicht zum Arzt gehen. [Ein Aufseher] sagte: ‚Hier willst Du nicht sterben, denn dein Leben ist [uns] keinen Cent wert. [Wenn] ich will, dann bist du [hier] schneller tot als eine Ameise.’“
- ehemaliger Insasse eines „schwarzen Gefängnisses“

„Sie ließen mich jeden Tag nur drei Stunden schlafen und weckten mich ständig auf, damit ich nicht weglaufe. Ich war jeden Tag hungrig, aber ich bekam nicht genug zu essen. Beim zweiten Mal wurde ich 37 Tage lang festgehalten und habe 20 Kilo abgenommen.”
- ehemaliger Insasse eines „schwarzen Gefängnisses“

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