Skip to main content

Jordanien: Verwaltungshaft soll beendent werden

Sie wird regelmäßig eingesetzt, ist willkürlich und untergräbt Rechtsstaatlichkeit

(Amman, 26. Mai 2009) - Jordanien soll die Verwaltungshaft und das ihr zu Grunde liegende Gesetz zur Verbrechensprävention abschaffen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der 56-seitige Bericht „Guests of the Governor: Administrative Detention Undermines Rule of Law in Jordan” beschreibt wie Gouverneure und andere Beamte routinemäßig das System der Strafgerichtsbarkeit umgehen, indem sie Menschen ohne gerichtliche Überprüfung nur auf der Grundlage administrativer Verordnungen festhalten.

„Gouverneure und andere hohe Beamte sollten nicht in der Lage sein, Menschen nur auf Grund eines vagen Verdachts über unangemessenes Verhalten einzusperren“, erklärte Joe Stork, stellvertretender Leiter der Nahost- und Nordafrikaabteilung von Human Rights Watch. „Dies ist eine Einladung zum Machtmissbrauch.“

Pro Jahr gibt es mehr als 10.000 neue Fälle von Verwaltungshaft, und bis zu ein Fünftel der Insassen in jordanischen Gefängnissen sind Verwaltungshäftlinge.

1989 hat Jordanien offiziell das Kriegsrecht abgeschafft. Dennoch haben die dem Innenministerium unterstehenden Gouverneure immer wieder Gebrauch von dem Gesetz zur Verbrechensprävention aus dem Jahr 1954 gemacht. Es ermöglicht Inhaftierungen auf Grundlage eines einfachen Verwaltungsaktes, ohne die Verübung einer Straftat belegen oder beweisen zu müssen. Das Gesetzt zur Verbrechensprävention gibt den Gouverneuren die Macht, diejenigen Personen zu inhaftieren, die „eine Gefahr für das Volk“ darstellen. Ein mehr als vager Begriff, der die Tür zu routinemäßigem Missbrauch öffnet.

Gouverneure erlassen entsprechende Verordnungen immer wieder gegenüber Häftlingen, deren Haftstrafen ablaufen, und gegenüber Personen, die unter Verdacht einer Straftat stehen, aber gegen Kaution frei gekommen sind, oder bereits vorbestraft sind. Gouverneure und die Polizei greifen regelmäßig auf die Praxis der Verwaltungshaft zurück, um eine Überstellung von Verdächtigen an die Strafverfolgung und die Gerichtsbarkeit der ordentlichen Strafjustiz zu vermeiden, wodurch den Verdächtigen Rechte gewährt würden, über die Verwaltungshäftlinge nicht verfügen. Dazu gehören die Unschuldsvermutung, eine rechtliche Überprüfung der Untersuchungshaft und ein faires Verfahren auf der Grundlage von Beweisen.

„Gouverneure sollten nicht die Möglichkeit haben, sich über die Gerichte hinwegzusetzen, indem sie Menschen einsperren, die nach der Ansicht von Richtern nicht verhaftet werden sollen“, erklärte Stork.

In besonders haarsträubenden Anwendungen des Gesetzes haben Gouverneure die Opfer von Verbrechen an Stelle der Täter verhaften lassen. Einige von familiärer Gewalt bedrohte Frauen verbrachten mehr als zehn Jahre in Untersuchungshaft, angeblich zu ihrer eigenen „Sicherheit“. In ähnlicher Weise haben Gouverneure Menschen einsperren lassen, die von Stammesrache bedroht waren.

Eine weiter Personengruppe, die regelmäßig von willkürlicher Verwaltungshaft betroffen ist, sind Frauen, die im Verdacht stehen, „unmoralische Handlungen“ begangen zu haben. Dies schließt Frauen mit ein, die alleine in der Gegenwart eines unverheirateten Mannes angetroffen wurden. Auch Straßenhändler, in der Regel Männer, sind häufig von Verwaltungshaft betroffen. In einigen Fällen haben Gouverneure oder deren Mitarbeiter ihre Macht missbraucht, um Personen einzig und allein wegen persönlicher Auseinandersetzungen zu inhaftieren.

Die Regierung hat über die letzten vier Jahre hinweg Aufforderungen von jordanischen Menschrechtsorganisationen wie dem National Center for Human Rights ignoriert, die Anwendung der Verwaltungshaft zu überprüfen.

Die Dauer der Verwaltungshaft ist nicht festgelegt. Verwaltungshäftlinge gehen gewöhnlich in den Hungerstreik, um eine Revision ihrer Fälle zu erreichen, da eine gerichtliche Überprüfung, sofern überhaupt möglich, kostspielig ist. Gefängnisaufseher verweigern, entgegen internationaler Haftnormen, den Hungerstreikenden oftmals den Zugang zu Trinkwasser, mit dem Ziel die Streikdauer zu verkürzen.

„Die Hilferufe der Verwaltungshäftlinge im Hungerstreik zeigen, dass eine unabhängige gerichtliche Kontrolle nicht exisitiert, wodurch die Gouverneure daran gehinder werden könnten, Menschen fast alleine nach ihrem persönlichen Willen einzusperren“, erklärte Stork.

Your tax deductible gift can help stop human rights violations and save lives around the world.