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DR Kongo: Wahl stellt Gefahr für Straßenkinder dar

Immer mehr Kinder werden wegen Hexerei angeklagt, missbraucht und verlassen

Kinshasa, 4. April 2006) – Wegen der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen sind tausende von Straßenkinder im Kongo gefährdet, politisch manipuliert und verletzt zu werden, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

In den vergangenen Jahren benutzten Parteiführer Straßenkinder, um bei Massendemonstrationen öffentliche Unruhen anzustiften. In vielen Fällen haben die Sicherheitskräfte auf diese Proteste mit exzessiver Gewalt reagiert. Dutzende Kinder trugen dabei schwere Verletzungen davon oder mussten dies mit ihrem Leben bezahlen.

Der 72-seitige Bericht „What Future? Street Children in the Democratic Republic of Congo“ dokumentiert, wie Straßenkinder regelmäßig von Sicherheitsbeamten und anderen Erwachsenen missbraucht werden. In den letzten 10 Jahren haben bewaffnete Konflikte, HIV/AIDS, unerschwingliche Schulgebühren und sogar der Vorwurf der Hexerei die Zahl der Straßenkinder verdoppelt. Ohne Zugang zu Wohnraum, Nahrung oder andere Grundversorgungsgüter leben diese Kinder in Unsicherheit und Angst.

Statt den Straßenkindern Schutz zu gewähren, werden sie von Polizisten und Soldaten unter Gewaltanwendung und Androhung von Haft regelmäßig bestohlen. Die Straßenkinder werden auch von Erwachsenen und älteren Jugendlichen körperlich und sexuell missbraucht, indem ihre Schutzlosigkeit ausgenutzt wird. Die Vergewaltigung sowohl von Mädchen als auch von Jungen ist weit verbreitet.

„Als ersten Schritt soll die kongolesische Regierung den Straßenkindern während des Wahlkampfs Schutz gewähren. Die Vereinten Nationen im Kongo müssen ihren Einsatz verstärken, um weiterem Missbrauch entgegenzuwirken“, meint Tony Tate, Experte für Kinderrechte bei Human Rights Watch und Autor des Berichts. „Die kongolesischen Behörden sollten diese Gelegenheit nutzen, um gegen den Missbrauch von Kindern vorzugehen.“

Die kongolesische Regierung ordnet in regelmäßigen Abständen Massenverhaftung von Straßenkindern an und rechtfertigt dies mit einem Gesetz aus der Kolonialzeit, das Kindern das Betteln verbietet. Große Gruppen von Kindern, die sich nur dadurch schuldig machen, dass sie kein Zuhause haben, werden verhaftet und in überfüllten Gefängnissen festgehalten - oftmals zusammen mit erwachsenen Insassen. Nach tagelanger Gefangenschaft unter beklagenswerten Bedingungen werden diese Kinder meist ohne Anklage entlassen und wieder auf die Straße gesetzt.

„Die kongolesischen Behörden sollen den obdachlosen Kindern helfen und sie nicht ins Gefängnis werfen“, meint Tate weiter. „Die Regierung soll die Massenverhaftungen von Straßenkindern beenden und von Gesetzen absehen, die die Obdachlosigkeit von Kindern kriminalisieren.“

Alarmierend ist, dass immer mehr Kinder der Hexerei beschuldigt werden, obwohl dies laut der neuen kongolesischen Verfassung verboten ist. Waisen oder Adoptivkinder sind besonders derartigen Anschuldigungen ausgesetzt, die von überlebenden Verwandten vorgebracht werden. Sie machen die Kinder für das Schicksal der Familien verantwortlich. Die beschuldigten Kinder sind oft verwahrlost, werden missbraucht und aus dem Haus getrieben.

Organisationen, die mit Kindern in Kinshasa arbeiten, schätzen, dass 70 Prozent der Straßenkinder in der Stadt schon einmal der Hexerei beschuldigt wurden, bevor sie auf der Straße endeten.

Besonders spezialisierte Pastoren und Propheten von „Erweckungskirchen" halten Zeremonien ab, um die Kinder von Hexerei zu befreien. In vielen dieser Kirchen können dutzende Kinder tagelang ohne Wasser und Brot festgehalten werden. Schlimmstenfalls werden die Kinder ausgepeitscht, geschlagen oder ihnen wird solange ein Abführmittel verabreicht, bis sie die Hexerei gestehen. Selbst nachdem diese Tortur beendet ist, können die Kinder zu Hause weiter missbraucht und letztendlich vertrieben werden.

„Die neue kongolesische Verfassung verbietet ausdrücklich den Vorwurf der Hexerei“, berichtet Tate. „Die kongolesischen Behörden müssen gegen Erwachsene vorgehen, die Kinder misshandeln“

Von HIV/AIDS betroffene Kinder werden besonders leicht der Hexerei beschuldigt. Der Glaube, dass HIV durch Hexerei übertragen wird, lässt die Familienmitglieder vermuten, dass die Kinder Schuld an dem AIDS-Tod ihrer Eltern sind. Bereits infizierte Waisenkinder werden somit zu zweifachen Opfern der Epidemie. Die nationale HIV/AIDS-Präventionskampagne muss die kongolesische Öffentlichkeit über die Ursachen von HIV/AIDS aufklären und widerlegen, dass die Krankheit durch Hexerei übertragen wird.

Zitate aus dem Bericht:

„Unsere Sorge ist, was aus den Straßenkindern einmal wird. Tausende von Kindern leben auf der Straße ohne Aufsicht, Erziehung, Liebe bzw. Fürsorge, sie sind gewöhnt an tägliche Gewalt und Missbrauch. Was bringt die Zukunft für diese Kinder bzw. unser Land?”
- Pädagoge für Straßenkinder in Lubumbashi

„Das Leben hier auf der Straße ist hart, wir werden ständig vom Militär angegriffen. Sie kommen nachts, irgendwann nach 22.00 Uhr. Sie schlagen oder treten uns mit ihren Stiefeln. Sie fordern regelmäßig Geld oder Gegenstände, die sie verkaufen können … Nur die, die wegrennen oder nicht erwischt werden, sind sicher. Wenn wir den ganzen Tag für 100 Francs gearbeitet haben, dann nehmen sie sogar das.“
- Emmanuel, 14-jähriger Straßenjunge in Goma

„Einige Kinder stahlen einmal etwas vom Markt und die Polizei verhaftete die ganze Gruppe der Straßenkinder dieser Gegend. Wir waren mehr als 20 Kinder, zusammengedrängt in einem kleinen Raum. Uns wurde mit einer Plastikschnur der Hintern ausgepeitscht. Die Kids schrieen und weinten. Meine Freunde zahlten den Polizisten 400 Francs, nur damit sie aufhörten. An diesem Tag wurde ich freigelassen.“
- Rebecca, 17-jähriges Straßenkind in Goma

„Manchmal kommen die Männer und nehmen mich gewaltsam, hinterlassen kein Geld. Das passiert oft … Ich fing in diesem Gewerbe an, als ich 10 war. Das ist kein gutes Leben. Ich möchte lieber woanders hin und studieren.“
- Rebecca, 17-jähriges Straßenmädchen in Lubumbashi

„Ich verbrachte immer mehr Zeit von zu Hause weg, in einer Siedlung, wo eine Kirche in der Nähe war. Mein Bruder hat mich einmal dort aufgelesen und mich mit seinen Fäusten geschlagen, er sagte, ich solle diese Gegend verlassen. Der Pastor hielt meinen Bruder zurück, aber glaubte ihm, dass ich ein Hexer sei und vertrieb mich aus der Kirche. Ich hatte keine andere Wahl, als auf die Straße zu gehen.“
- Albert, ein 10-jähriger Ex-Straßenjunge in Mbuji-Mayi

„Wir durften für drei Tage nichts essen oder trinken (weder in der Kirche noch zu Hause). Am vierten Tag hielt der Prophet unsere Hände über eine Kerzenflamme, um ein Geständnis zu erzwingen.“
- Brian, 12, wegen Hexerei angeklagtes Straßenkind in Kinshasa

„Junge Hexen haben die Macht, Krankheiten wie AIDS an ihre Familienmitglieder zu übertragen. AIDS ist eine geheimnisvolle Krankheit, die von Magiern als Waffe eingesetzt wird.“
- Prophet, der sich auf die Hexerei von Kindern spezialisiert hat, in einer Kirche der Erweckungsbewegung in Mbuji-Mayi

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