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Die irakischen Sicherheitskräfte begehen systematische Folter und wenden andere Formen der Misshandlung gegen Gefangene an, erklärte Human Rights Watch in einem neuen, heute veröffentlichten Bericht.

Der 94-seitige Bericht „The New Iraq Torture and Ill-treatment of Detainees in Iraqi Custody“ beschreibt, wie willkürliche Festnahmen, langfristige Isolationshaft, Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen (darunter auch Kinder) durch die irakischen Behörden zur Routine geworden sind. Human Rights Watch hat im Irak Befragungen von 90 Gefangenen durchgeführt, von denen 72 angeblich gefoltert oder misshandelt wurden, vor allem während der Verhöre.

Obwohl aufständische Gruppen zahlreiche Anschläge auf die irakische Polizei verübt haben, sei dies keine Rechtfertigung für die von den irakischen Behörden begangenen Misshandlungen, meinte Human Rights Watch.

„Den Menschen im Irak wurde nach dem Fall der Regierung Saddam Husseins etwas Besseres versprochen,“ sagte Sarah Leah Whitson, Direktorin der Mittlerer Osten- und Nordafrika-Abteilung von Human Rights Watch. „Die irakische Regierung hält ihr Versprechen nicht, die grundlegendsten Menschenrechte zu achten und zu wahren. Traurigerweise leidet die irakische Bevölkerung nach wie vor unter einer Regierung, die bei der Misshandlung von Gefangenen ungestraft vorgehen kann.“

Die von den Gefangenen angeführten Foltermethoden umfassen Schläge mit Kabeln, Schläuchen und anderen Hilfsmitteln. Die Gefangenen berichteten, dass sie getreten, mit der Hand oder der Faust geschlagen, über längere Zeiträume hinweg mit hinter dem Rücken gefesselten Händen an den Handgelenken aufgehängt wurden, elektrischen Schlägen an empfindlichen Körperstellen wie Ohrläppchen und Genitalien ausgesetzt waren und mehrere Tage lang ununterbrochen mit verbundenen Augen und/oder Handschellen festgehalten wurden. In mehreren Fällen erlitten die Gefangenen möglicherweise dauerhafte körperliche Schäden.

Gefangene berichteten ferner, dass irakische Sicherheitsbeamte ihnen Nahrung und Wasser vorenthalten und sie in kleine überfüllte Zellen gesteckt haben, in denen sie nur stehen konnten. Zahlreiche Gefangene beschrieben, wie die irakische Polizei Bestechungsgelder verlangte, um die Gefangenen freizulassen, ihnen Kontakt mit Familienmitgliedern zu erlauben oder ihnen Nahrung und Wasser zu geben.

Der Bericht von Human Rights Watch erläutert im Detail, welche gravierenden und weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen seit 2003 verübt wurden, die sich sowohl gegen Gefangene, die angeblich eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellten (z. B. Aufständische), als auch gegen herkömmliche Kriminelle richteten. Der Bericht unterstreicht ebenfalls seit Mitte 2004 vom irakischen Geheimdienst begangene ernstzunehmende Vergehen an Mitgliedern politischer Parteien, die als Bedrohung für die Sicherheit des Landes eingestuft wurden.

Human Rights Watch erklärte, dass die vier Monate langen Untersuchungen im Irak von Juli bis Oktober 2004 die Anwendung von Methoden wie willkürlichen Festnahmen, übermäßig lange Untersuchungshaft (in manchen Fällen bis zu vier Monate) ohne gerichtliche Anhörung des Falls, Folter und Misshandlungen der Gefangenen, Verweigerung des Zugangs zu Gefangenen für Familien und Anwälte, unangemessene Behandlung von verhafteten Kindern und miserable Bedingungen in den Untersuchungsgefängnissen ergaben. Der Bericht befasst sich nicht mit den Misshandlungen von Personen, die sich im Gewahrsam der USA oder anderer multinationaler Kräfte im Irak befinden.

„Die irakischen Sicherheitskräfte stehen offensichtlich gewaltigen Herausforderungen gegenüber, wie zum Beispiel Aufständischen, die sich Zivilisten zum Ziel gemacht haben,“ meinte Whitson. „Wir verurteilen die Brutalität der Aufständischen ganz eindeutig. Doch das Völkerrecht ist in Bezug auf diesen Punkt unmissverständlich: Keine Regierung kann die Folter von Gefangenen im Namen der Sicherheit rechtfertigen.“

Mit wenigen Ausnahmen haben es die irakischen Behörden verabsäumt, die für Vergehen verantwortlichen Beamten einer Untersuchung zu unterziehen oder zu bestrafen. Internationale Polizeiberater, insbesondere von der Regierung der Vereinigten Staaten finanzierte Amerikaner, haben die Augen vor diesen uneingeschränkten Misshandlungen verschlossen.

„Unter dem Vorwand der Herstellung von Sicherheit und Stabilität im Irak haben sowohl Vertreter der irakischen Regierung als auch ihre Berater zugelassen, dass diese Misshandlungen ohne Nachspiel blieben,“ so Whitson. „Die irakischen Polizeikräfte wurden für ihre Handlungen offensichtlich nicht zur Verantwortung gezogen.“

Der Bericht von Human Rights Watch untersucht die Fälle von mutmaßlichen Mitgliedern oder Sympathisanten der Mahdi-Armee des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadr, die während oder nach den bewaffneten Zusammenstößen in Nadschaf im August 2004 verhaftet wurden. Einige Mitglieder der politischen Partei Hizbullah wurden zur gleichen Zeit festgenommen. In diesen Fällen verhafteten Sicherheitskräfte, darunter auch Vertreter des Geheimdienstes, die Personen ohne rechtliche Grundlage, folterten und misshandelten sie und ließen sie anschließend, ohne Anklage zu erheben, wieder frei. Diese Fälle wurden nie vor Gericht gebracht.

Unter den von Human Rights Watch Befragten waren auch 60 vermeintliche Kriminelle, von denen die meisten an das Zentrale Strafgericht in Bagdad übergeben und wegen Schwerverbrechen wie Terrorismus, Entführungen, Geldwäsche, Drogenhandel und Sabotage angeklagt wurden. Einige Personen, deren Anklage weniger schwerwiegend war, wurden in Polizeistationen festgehalten und an andere Gerichte in Bagdad überwiesen.

„Sie schütteten kaltes Wasser über mich und wandten elektrische Schocks an meinen Genitalien an. Ich wurde auch von mehreren Menschen an den Armen und am Rücken mit Kabeln geschlagen,“ erzählte ein 21-jähriger Mann, der im Juli 2004 unter Anschuldigung von Verbindungen mit der Mahdi-Armee verhaftet wurde. Ein anderer Gefangener, der im Juni 2004 auf Grund angeblichen Drogenbesitzes festgenommen wurde, berichtete: „Während der ersten drei Tage wurde ich ununterbrochen gefoltert. Ich wurde mit einer Aluminiumstange und mit Kabeln verprügelt. … Dann wurde mir befohlen, mit hinter meinem Rücken gefesselten Händen eine Aussage zu unterschreiben; ich konnte das Papier nicht einmal sehen und weiß nicht, was ich unterschrieben habe.“

„Eine neue irakische Regierung bedeutet mehr als nur eine neue Führung – sie erfordert eine Änderung in der Einstellung zu den grundlegenden Menschenrechten,“ bekräftigte Whitson.

Human Rights Watch forderte die irakische Regierung dazu auf, alle Anschuldigungen der Folter und Misshandlung zu untersuchen und die für die Misshandlung von Gefangenen verantwortlichen Beamten zur Rechenschaft zu ziehen. Die Regierung sollte dringende Maßnahmen setzen, um die Einhaltung von nationalen und internationalen rechtlichen Verpflichtungen zu garantieren, wodurch den Gefangenen besserer Schutz vor Misshandlung geboten würde. Ferner sollte die Regierung es ernsthaft in Erwägung ziehen, unabhängigen Menschenrechtsgruppen unter der Kontrolle des Innenministerium Zugang zu den Gefängnissen zu gewähren.

Die Vereinigten Staaten und andere Geberländer sollten sicherstellen, dass internationale Berater, die mit den irakischen Behörden im Bereich der Sicherheit und Gefangennahmen zusammenarbeiten, in erster Linie dazu beitragen, einen Mechanismus einzurichten, durch den Anschuldigungen der Folter und Misshandlung sofort berichtet und untersucht werden können, darunter auch die Einrichtung eines unabhängigen Beschwerdegremiums.

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